Sichelschmiede

Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner Heide

 

Zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide

Entscheidungen, Pläne, Konzepte

Stand 9. Mai 2012

Übernahme durch die BImA, Zivile Sperrverordnung

Hans-Sielmann-Stiftung, Nationales Naturerbe (NNE)

FFH-Schutzgebiet

Heidepflege und Wildnisentwicklung

Nordteil

Erneuerbare Energien

Entwicklung eines Konzepts für die zivile Nutzung


Druckversion dieses Textes


Wir haben hier die uns bekannten Fakten über die Pläne zur zivilen Nutzung des Bombodroms zusammengefasst.
Sollte jemand in dieser Zusammenstellung Fehler finden oder wichtige Fakten vermissen, so bitten wir um Nachricht. Wir haben vor, die Zusammenstellung immer wieder zu aktualisieren.

Übernahme durch die BImA, Zivile Sperrverordnung

Die BImA hat die Flächen des ehemaligen Bombodroms am 01.10.2011 übernommen.
Der Landkreis hat zum gleichen Datum eine Sperrverordnung erlassen, die das Betreten der Flächen verbietet.
Interessant ist, dass die gesperrte Fläche nicht exakt der Lage der Munitionsverdachtsflächen entspricht. Wieder wurden die Eigentumsgrenzen als Grundlage für die Sperrung genommen. So gibt es einige Flächen im Sperrgebiet, die erst durch Gebietstausch dazu gekommen und gar nicht kampfmittelbelastet sind, und andere Flächen außerhalb des Sperrgebiets, auf denen Munition vermutet wird.
Hier drängen sich verschiedene Fragen auf, z.B.:

Die BImA hat zunächst rund um das Gelände und entlang der L15 einen 50 m breiten Brandschutzstreifen angelegt und beräumt. So soll verhindert werden, dass Brände innerhalb des Geländes auf Gebiete außerhalb übergreifen, da nach Abzug der Bundeswehr-Feuerwehr niemand mehr vor Ort ist, der auf dem Gelände würde löschen dürfen.
Vorrangig will die
BImA die stark belasteten Flächen in der Nähe von Neu-Lutterow und Gadow räumen, da hier konkrete Gefahr für die Anwohner_innen besteht.
Im übrigen gibt es von Seiten der BImA die Vorstellung, das Gelände nach und nach von außen nach innen zu beräumen und damit zugänglich zu machen. Das könnte im Norden und Südwesten relativ schnell gelingen, da in diesen Gebieten die Munitionsbelastung gering ist. Teilweise geht es nur darum, durch Sondierungen nachzuweisen, dass keine Munition vorhanden ist.
Schwierig bleibt aber die Finanzierung. Die BImA muss wirtschaftlich arbeiten, sie kann Geld für ihre Betriebs- und Rettungswege ausgeben, aber Wege für sanften Tourismus oder gar für Spaziergänge von Einheimischen rechnen sich nicht. Hierfür müssten das Land Brandenburg oder der Bund Geld bereitstellen; das ist bisher nicht so richtig vorgesehen.

Hans-Sielmann-Stiftung, Nationales Naturerbe (NNE)

4000 ha der Kyritz-Ruppiner Heide werden Nationales Naturerbe. Diese Fläche wird auf die bundesweit geplante 2. Tranche von 25.000 ha angerechnet und stellt die bereits verplanten Flächen dieser Tranche nicht in Frage. Formal muss darüber unseres Wissens noch der Bundestag abstimmen, aber allgemein wird davon ausgegangen, dass diese Entscheidung feststeht, nachdem im Dezember 2011 der Haushaltsausschuss des Bundestags entsprechend entschieden hat.
Vorausgegangen war eine intensive Lobbyarbeit der Naturschutzverbände.
Die BIMA hat einen Vorschlag für die Ausformung der Flächen erarbeitet. Es handelt sich um eine U-förmige Fläche im Südteil des Geländes, die einen größeren Teil der offen zu haltenden Heideflächen umfasst. Die zurzeit noch sehr attraktiven Heideflächen südlich der L15 sind nicht dabei.
Das NNE-Gebiet wird zwar Eigentum der BImA bleiben, aber es wird unentgeltlich und unbefristet der Hans-Sielmann-Stiftung überlassen. Brandschutz und Sicherheit werden gemeinsam mit BIMA gemanagt, auch das Personal wird von der BImA gestellt. Die Sielmannstiftung soll Personalkosten der BIMA in Höhe von 320.000 € jährlich tragen und einmalig 200.000 € für die Kampfmittelbeseitigung.
Der Grund für die Übergabe des Geländes an die Sielmann-Stiftung ist nach Informationen aus dem Bundesumweltministerium finanzieller Art: Die Entwicklung und Pflege der Fläche hätte sonst aus Mitteln des Bundesumweltministeriums finanziert werden müssen. Dort stehen diese Mittel jedoch nicht zur Verfügung. Einnahmen aus der forstwirtschaftlichen Nutzung (Holzeinschlag, Jagd,...) landen als Einnahme im Haushalt des Finanzministeriums und stehen nicht zur Reinvestition in die Flächen zur Verfügung.
Die Hans-Sielmann-Stiftung muss (in Zusammenarbeit mit der BImA) für diese Flächen ein naturschutzfachliches Leitbild erstellen, das vom Bundesamt für Naturschutz begutachtet wird. Aus diesem Leitbild ergeben sich dann die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten.

FFH-Schutzgebiet

9000 der 12000 ha des ehemaligen Bombodroms sind FFH-Schutzgebiet, also nach EU-Recht geschütztes Flora-Fauna-Habitat. Dabei handelt es sich um den Teil südlich der L15. Die 4000 ha Nationales Naturerbe sind Teil des FFH-Schutzgebiets.
Für dieses Gebiet muss nach EU-Recht ein FFH-Managementplan erstellt werden - in partizipativer Weise, unter Anhörung der Öffentlichkeit.
Die FFH-Managentplanung ist das wichtigste Mittel des Landes, um Einfluss auf die künftige Entwicklung der Kyritz-Ruppiner Heide zu nehmen. Geplant ist nun allerdings, dass das Land die BImA mit der FFH-Managementplanung für die Kyritz-Ruppiner Heide beauftragt. Damit wird hier möglicherweise auch das letzte bisschen Gestaltungsmacht der Region aus der Hand gegeben.

Heidepflege und Wildnisentwicklung

Die BImA geht davon aus, dass im FFH-Schutzgebiet 3000 ha Heide offen gehalten werden können. Weitere 3000 ha sind – unter anderem mit Streumuniton - so stark munitionsbelastet, dass die BImA keine Möglichkeit zur Beräumung sieht. In diesen Bereichen soll gar nichts mehr gemacht werden, dort soll sich Wildnis entwickeln.
Strittig ist, ob dies zulässig ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Juli 2009 das Übereinkommen über Streumunition unterzeichnet. Darin hat sie sich verpflichtet, auf ihrem Territorium innerhalb von zehn Jahren nach dem Beitritt für eine Beseitigung von nicht explodierten Rückständen aus Clustermunition zu sorgen.

Nordteil

Während für den Süden schon vieles in trockenen Tüchern ist, ist für den Teil nördlich der L15 noch vieles offen.
Klar ist, dass es hier eine forstwirtschaftliche Nutzung geben soll. Außerdem ist von regenerativen Energien die Rede (s.u.).
Die Anrainerorte wünschen sich, dass das Gelände für den naturnahen Tourismus entwickelt und für die AnwohnerInnen zugänglich gemacht wird. Es gibt die Befürchtung, dass statt dessen für die BImA auf diesem nicht durch FFH-Status geschützten Gebiet die finanziellen Interessen im Vordergrund stehen könnten. Mitte April haben sich deshalb die Ortsbeiräte aus Zempow, Dranse. Sewekow und Schweinrich getroffen und beraten, wie sie aktiv werden könnten, damit der Nordteil im Sinne eines naturnahen Tourismus bewirtschaftet und für die Bevölkerung zugänglich wird. Sie wollen jetzt erstmal den Konzeptentwurf der GfK (s.u.) abwarten und diskutieren.

Erneuerbare Energien

Bei den verschiedenen Verlautbarungen zur künftigen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide wurde auch die Zahl von 2500 oder 3000 ha Fläche für regenerative Energien genannt. Gemeint ist offenbar die Fläche außerhalb des FFH-Gebiets nördlich der L 15.
Dort sind als Suchraum für Fotovoltaik die ihnehin versiegelten Flächen im Gespräch: die alte Panzerfahrschule, die alte Kommandantur, die Panzerhallen. Außerdem wurden von der BIMA Ackerflächen nördlich von Rossow als Suchräume für Fotovoltaik genannt.
Die BImA sucht für diese Nutzungsvariante Investoren. Wenn der Zuschlag – wie zu erwarten – an den Meistbietenden geht, dann besteht auch hier das Problem, dass die Pacht im Bundeshaushalt und die Gewinne bei einem privaten Inverstor landen, so dass davon nichts zur Reinvestition ind Gelände zur Verfügung stünde: Das ist Sozialisierung der Kosten und Privatisierung der Gewinne.
Im Arbeitskreis Zivile Nutzung wurde deshalb die Idee diskutiert, die Kommunen müssten ein eigenes Solarunternehmen gründen, nur dann würde das Geld in der Region für öffentliche Zwecke verfügbar sein.
Auch in den Bereich der Regenerativen Energien gehört die Energieholznutzung, die im Rahmen des Heidemanagements im großen Umfang möglich ist.
Zur Idee von Windkraftanlagen gibt es viel Gegenwind, ihr Bau scheint aus verschiedenen Gründen unrealistisch (Brutgebiete geschützter Vögel, andere Schutzgebiete).

Entwicklung eines Konzepts für die zivile Nutzung

Im März 2010 wurde die „Kommunale Arbeitsgemeinschaft Kyritz-Ruppiner Heide“ (KAG) gegründet mit dem Ziel, "... gemeinsam mit den Initiativen und den Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die nächsten Schritte bis zu einer ausschließlich zivilen Nutzung vorzubereiten und umzusetzen. Im Vordergrund stehen dabei der Erhalt und die Entwicklung der wertvollen Naturpotentiale im Kontext mit der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze, insbesondere im Tourismus, im Dienstleistungsbereich, in der Forstwirtschaft sowie in Naturschutz und Landschaftspflege. Angestrebt dabei ist ein einvernehmliches Vorgehen mit dem Eigentümer. Dabei soll die Kyritz-Ruppiner Heide als einzigartige unzerschnittene Landschaft erhalten bleiben."
Die KAG hat seither sehr wenig für dieses Ziel getan. Alle Entscheidungen für die Zukunft des Geländes sind in Gremien und Behörden des Bundes getroffen worden, teilweise ohne die KAG auch nur anzuhören. Eine öffentliche Diskussion der Nutzungsideen fand weder über die kommunalen Vertreter_innen noch über die beteiligten Initiativen statt. Die Bürgerinitiative FREIe HEIDe etwa hat einen Sitz in der KAG, hat aber ihre Mitstreiter_innen niemals zu einer Diskussion über die dort diskutierten Ideen eingeladen oder darüber berichtet. Seit einiger Zeit bleibt ihr Sitz leer. Eine Initiative, die sich beteiligen und mehr Öffentlichkeit herstellen wollte – die Friedensinitiative Kyritz-Ruppiner Heide – wurde nicht in die KAG aufgenommen. Es hat lange Zeit so gut wie keine Öffentlichkeitsarbeit der KAG stattgefunden. (In letzter Zeit hat sich die Webseite der KAG etwas besser entwickelt.)
Derzeit findet eine Umstrukturierung der KAG statt. Der neue Vorsitzende, Landrat Reinhardt, sieht ihre Aufgaben vor allem auf der Verwaltungsebene und möchte sie deshalb zu einem reinen Koordinationsgremium der Kommunen machen. Die bisher darin vertretenen Initiativen sollen – soweit sie sich nicht ohnehin gerade auflösen – als Partner mit der KAG zusammen arbeiten.
Die Entwicklung eines Konzepts für die Nutzung des Geländes findet derzeit vor allem in den (geschlossenen) Arbeitskreisen der BImA statt. („Sicherheit und Ordnung“, „Naturschutzfachliche Entwicklung und Wildtiermanagement“, „wirtschaftliche Anschlussnutzung und Tourismus“, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit“. In diesen Arbeitskreisen wirken Personen aus der KAG und den Naturschutzverbänden mit.
Das einzige Gremium, in dem öffentlich und für alle zugänglich an der Konzeptentwicklung gearbeitet wird, ist der „Arbeitskreis für eine Zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide“ (kurz AK Zivile Nutzung). Allerdings findet bei den Sitzungen des AK eher Information und Diskussion über die an anderer Stelle getroffenen Entscheidungen statt, der AK macht keine eigenständige konzeptionelle Arbeit. Auf unsere Rückfrage wurde immer wieder auf ein „Kernteam“ oder eine „Redaktionsgruppe“ innerhalb des Arbeitskreises verwiesen, in der wir jetzt auch seit November 2011 mitarbeiten dürfen, die aber seither nicht getagt hat.
Dennoch ist immer mal wieder die Rede davon, dass die KAG oder auch der Arbeitskreis im Auftrag des Landes Brandenburg an einem Nutzungskonzept arbeitet. Tatsächlich hat das Land 40000 Euro für die Entwicklung eines Nutzungskonzepts zur Verfügung gestellt. Der Auftrag ging aber nicht an die KAG oder den Landkreis, sondern an die in Neuruppin ansässige „Gesellschaft für Konversion“ (GfK). Die GfK erledigt zugleich für die KAG die Geschäftsführung, und in ihrem Haus finden die Sitzungen des AK Zivile Nutzung statt, so dass alles nah beieinander liegt und manchmal unklar ist, von welchen „wir“ gerade die Rede ist. Aber die konzeptionnelle Arbeit leisten Mitarbeiter der GfK in Zusammenarbeit mit dem Behörden des Landkreises. Ein Beispiel für den wenig partizipativen Arbeitsstil ist der Umgang mit den erhobenen Grundlagen: Anfang 2011 wurden die Anrainergemeinden zu ihren Vorstellungen für die zivile Nutzung befragt. Im AK Zivile Nutzung haben wir immer wieder nach den Ergebnissen gefragt und wurden bis Januar 2012 immer wieder vertröstet, die Daten seien noch nicht fertig ausgewertet. Im Januar bekamen wir dann einen Stapel Papier, die Original-Fragebögen der Gemeinden. Sie waren bis dahin noch nicht elektronisch ausgewertet und auch sonst nicht in eine Form gebracht, in der sie einer größeren Zahl von Menschen hätten zur Verfügung gestellt werden können. Wir haben diese Arbeit nachgeholt und eine Auswertung angefertigt. Dabei hat sich gezeigt, dass nur ein kleiner Teil der Anrainerorte sich überhaupt beteiligt hat. Da wäre Öffentlichkeitsarbeit nötig gewesen, damit interessierte Bürger_innen bei ihren säumigen Ortsvorstehern vorstellig werden und ihre Ideen einbringen. Als wir die Daten ein Jahr nach der Erhebung bekamen, schien es dazu schon zu spät, denn ursprünglich sollte der Entwurf schon Ende Januar vorliegen.
Das Konzept soll bis Ende Juni fertig sein. Derzeit ist er für den 15. Mai in Aussicht gestellt, Ende Juni soll das Konzept dann stehen. Für die öffentliche Diskussion bleibt dann wenig Zeit.
Nun ist einerseits die KAG mit einem relativ umfassenden Anspruch für eine Konzeptentwicklung angetreten, andererseits hat die GfK den Auftrag, ein Konzept für die wirtschaftliche Nutzung zu erstellen. Soziale bzw. kulturelle Aspekte kommen in den uns bisher vorliegenden Entwürfen nicht vor. Insofern haben wir sehr lange durch unsere Mitarbeit im AK Zivile Nutzung einer Konzeptentwicklung zuzuarbeiten versucht, die sich gar nicht auf unser Anliegen bezieht.
Nachdem uns das im Januar klar geworden ist, haben wir dazu ein Papier verfasst, in dem wir auf die drei Aspekte Natur, Wirtschaft und Kultur und ihre Verbindungen untereinander eingehen. (Im Internet zu finden unter http://www.sichelschmiede.org/Downloads/Kultur-Natur-Wirtschaft.pdf). Dieser Text von uns soll nun in die Konzeptentwicklung einfließen, aber wir haben wenig Hoffnung, die uns wichtigen Aspekte im Gesamtkonzept wiederzufinden. Der Auftrag des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums ist wirklich recht eng gefasst. Insofern sehen wir die Notwendigkeit, für die kulturellen Aspekte der zivilen Nutzung des Bombodroms ein eigenständiges Konzept zu erarbeiten, das viel mit der Aufarbeitung der Geschichte und der durch diese Geschichte entstandenen Besonderheiten des Kulturraums Kyritz-Ruppiner Heide zu tun hat.